Über das Folgende spricht kaum ein Zeichner.
Entweder ist es ihnen ein bisschen peinlich, weil sie selbst nicht so genau wissen was sie da tun und sie sich den Vorgang und den Effekt nicht erklären können oder sie tun es unbewusst und merken es schon gar nicht mehr.Ich spreche von einer ganz kleinen, von einem Außenstehenden kaum wahrzunehmenden Geste, die der Zeichner ausführt, bevor er mit dem Zeichnen beginnt.Sobald man ein Motiv ins Visier genommen und einen allerersten Blick darauf geworfen hat, in diesem kurzen Moment, bevor man den Stift tatsächlich aufsetzt, streicht man mit der Hand an der Stelle über das Papier, wo die Zeichnung entstehen soll.
Das geschieht ganz rasch und wie nebenbei, fast wie zufällig und doch wird durch diese kleine Geste etwas sehr Machtvolles in Gang gesetzt.
Mit dieser Handbewegung, mit diesem flüchtigen Streichen über das Papier, stellt der Zeichner die geistige Verbindung her zwischen sich, dem Papier und dem Motiv. Es wird eine Art Pakt geschlossen.
Der Zeichner verpflichtet sich, sich dem Motiv ganz hinzugeben, sich ihm unterzuordnen und das Zeichnen so geschehen zu lassen, wie das Motiv es in diesem Moment erfordert.
Mit dieser Geste wird ein Tor geöffnet, wird das noch Unsichtbare eingeladen, sichtbar zu werden.
Der Zeichner berührt das Papier und auf geradezu magische Weise entsteht in diesem Moment die Zeichnung. Noch bevor sie gezeichnet wurde, nimmt sie, für das physische Auge noch nicht sichtbar, schon auf der geistigen Ebene Gestalt an.
Der Zeichner muss die Zeichnung jetzt eigentlich nicht mehr zeichnen im herkömmlichen Sinne von „wie fange ich an“, er muss jetzt nur noch die im Unsichtbaren wartende Zeichnung sichtbar werden lassen.
Der Zeichner erlebt dann das Zeichnen, als würde es wie von selbst geschehen und er, der Zeichner nimmt scheinbar keinerlei Einfluss darauf, wie sich der Stift übers Papier bewegt.
Die Magie dieser Geste entfaltet sich selten bei einer ersten Zeichnung, auch nicht immer bei der zweiten oder dritten, und doch ist es nötig, schon bei diesen, diese „magische“ Geste auszuführen.
Erst, wenn man sie nicht mehr zählt, geschieht es, dass Zeichnungen entstehen, die gezeichnet zu haben, man sich später nicht erinnern kann.
Selbstverständlich erlebt man diese magischen Momente nicht, wenn man glaubt, man müsse sich beim Zeichnen einen abbrechen, um einigermaßen etwas hinzubekommen und man deshalb durchgehend mit sich selbst im Clinch liegt.
Nein, das erlebt man nur, wenn man dem Zeichnen vertraut, sich vorurteilslos ins Zeichnen fallen lässt und man wirklich bereit ist das Zeichnen als etwas völlig Unvorhersehbares, Überraschendes und Wundervolles zu erleben.