Die gut gemeinte Meinung anderer Künstler

 

drums19Es ist unter Zeichnern und Malern weit verbreitet zu glauben, man unterstütze einander, indem man sich kritisiert und auf vermeintliche Fehler aufmerksam macht. (Diese Seite sei zu breit, jene Linie zu kurz).

Viele Künstler bitten um die Meinung anderer.
(Was meinst du, sollte ich daran noch weiter machen, sollte ich den Hintergrund verändern, sollte ich das grün oder rot machen?)

Es findet sich dann immer schnell eine wohlmeinende Person, die auf solche Fragen bereitwillig antwortet.
Ich jedenfalls weiß genau, spätestens, wenn man mich nach meiner Meinung fragt, habe ich plötzlich eine.

Die Frage ist, ob diese, meine Meinung für irgendjemanden von Bedeutung sein könnte.

Selbstverständlich nicht und ich möchte erklären, warum.

Wir alle haben ständig zu allem irgendeine Meinung, sei es zur Haarfarbe der Freundin oder zum geblümten Hemd des Nachbarn. Und wir halten unsere Meinung selbstverständlich für wahr.
(Der Nachbar hätte schon längst eine Freundin, wenn er sich geschmackvoller kleiden würde. Die Freundin wäre viel hübscher, wenn sie sich die Haare nicht blau färben würde.)
„Diese Meinungen sind doch unwiderlegbar richtig, oder?
Ist es nicht wahr, was ich da denke?
Jemand sollte es diesen beiden endlich mal sagen. Das wäre doch ein Akt der Nächstenliebe und jeder, der offen und ehrlich seine Meinung sagt, will doch nur das Beste.
Natürlich wollen die Betroffenen das nicht unbedingt hören. Nicht alle sind bereit, unbequeme Wahrheiten über sich zu erfahren. Aber ich opfere mich, ich ziehe den schwarzen Peter freiwillig und sage ihnen, dem Nachbarn und der Freundin, was ich wirklich denke. Ich fühle mich verpflichtet, ihnen zu helfen.“
Solche oder ähnliche Gedanken können mich dazu bringen, anderen, mit den besten Absichten, meine Meinung zu sagen, oder auch jemandem, der verunsichert ist und mich darum bittet, sie ihm ungeschminkt zu unterbreiten.
Durch jede geäußerte Meinung erzählt derjenige, der diese Meinung vertritt, jedoch mehr über sich selbst, als über das Thema und die Person, auf die sie sich bezieht.
Warum eigentlich glaube ich zu wissen, dass der Nachbar mit einem Partner besser dran wäre und warum glaube ich zu wissen, dass meine Freundin nicht hübsch ist? Warum bin ich dieser Meinung?
Ich meine das, weil diese Meinungen mit einigen von meinen Glaubenssätzen, die ich persönlich grundsätzlich über das Leben habe, übereinstimmen: ‚Frauen haben nach allgemein anerkannten Maßstäben hübsch zu sein.`und ‚Man(n) kann nur in einer Partnerschaft glücklich werden.‘
Das ist natürlich völliger Blödsinn, aber diese (unbewussten) Glaubenssätze muss ich dringend gründlich hinterfragen und sie dann bewusst ändern.
Wenn ich diesen beiden, der Freundin und dem Nachbarn gefragt oder ungefragt, meine Meinung sagte, hätte diese nichts mit deren Leben zu tun, sondern ausschließlich mit meinem eigenen, und hätte somit keinerlei Wert für sie.Auch dann, wenn sie diese Meinung vielleicht wertschätzten, weil sie selbst zu verunsichert sind,(z.B. aufgrund der unzähligen Meinungen, die da draußen herumschwirren), um sich auf ihr eigenes Gefühl und ihren eigenen gesunden Menschenverstand zu verlassen, hätte ich ihnen mit meiner Meinung keinen guten Dienst erwiesen.
Ich hätte ihnen einfach nur noch irgendeine weitere Meinung aufgedrückt.
Wenn sie es wollten, könnten sie sich nun meiner Meinung anschließen, um andere Meinungen leichter nicht zu hören.
 
Mal ehrlich, bist du daran interessiert ein Kunstwerk zu sehen, dessen Macher Wert auf deine Meinung gelegt hat?
Ich jedenfalls will Kunst sehen, die unabhängig von meinen eigenen Vorstellungen entstanden ist und mir etwas zeigt, was ich so noch nicht gesehen habe und zwar etwas, was ausschließlich nur dieser einzigartige Künstler mir sagen oder zeigen kann.
Ich brauche keine Kunst, von der ich glaube, sie sei durch meine Meinung besser geworden.
Kunst machen fühlt sich nicht immer leicht an. Man kann sich als Künstler verdammt einsam fühlen. Wenn man nicht aufpasst, gerät man als Künstler schnell in eine Abwärtsspirale der Selbstzweifel und Selbstvorwürfe (Du bist nicht gut genug. Wofür hältst du dich eigentlich? Das hat doch alles keinen Sinn.)
Es sind nicht immer nur Künstler, die sich mit diesen Dämonen herumschlagen, aber Künstler sind für sie besonders anfällig, weil es ihre Aufgabe ist, dem Leben etwas hinzuzufügen, einen Wert zu erschaffen, der sich an nichts messen lassen kann, weil er für sich steht.  
Man macht es sich nicht dadurch leichter, jemanden, auch nicht einen anderen Künstler, um dessen Meinung zur eigenen Kunst zu bitten. Auch jeder Künstler redet am Ende immer nur über sich selbst.
Ich entwickle mich nicht dadurch weiter, indem ich mir Meinungen unterbreiten lasse, wie ich, als Künstler, an einem bestimmten Punkt weiter vorgehen sollte.
Die wirkliche Herausforderung für einen Künstler besteht darin, an seiner Arbeit tatsächlich dranzubleiben, anstatt sich durch Zweifel und Zweifler ablenken zu lassen, und sich Vorbilder zu suchen,
Vorbilder, die ihn wirklich und unmittelbar inspirieren.
Solche Vorbilder, die eigenständig genug sind, keinem die eigene Meinung aufdrücken zu wollen, sondern solche, die einfach nur sind wie sie sind.
Solche Vorbilder beflügeln den Arbeitsprozess und erleichtern das eigene „immer Weitermachen“.
Wenn man sich mitten im Arbeitsprozess befindet, fühlt es sich oft so an, als trete man auf der Stelle und es müsse doch endlich mal irgendwie weitergehen.

Man glaubt, die Stelle, an der man sich gerade befindet, kann nicht die richtige sein, aus dem einfachen Grund, weil man sich gerade dort befindet.

Man will doch schließlich voran kommen, oder?
Es ist verständlich, dass da die Meinungen anderer einem als Hilfestellung sehr gelegen kommen (du musst es so und so machen, du musst mal das und jenes ausprobieren), weil sie einem vorgaukeln, man müsse nur irgendetwas anders machen, um sich weiterzuentwickeln, um weg zu kommen, von da, wo man gerade ist.
Wenn jedoch jeder wirklich an seiner Arbeit dran bliebe und das, woran er gerade arbeitet und die Veränderungen im Prozess, die sich daraus von selbst ergeben, akzeptieren und respektieren würde, würde er sich so schnell weiterentwickeln, dass ihm (rückblickend) schwindlig würde.
Ich will es hier ganz deutlich sagen:
Ein Künstler sollte kein einsamer Einzelkämpfer sein müssen. Wenn man sich den Meinungen anderer verschließt, bedeutet das nicht, dass man ein asozialer Mensch ist, es bedeutet, dass man ein selbst denkendes Individuum ist, das eine Gesellschaft bezüglich ihrer allgemeinen Ansichten (und eben Meinungen) herausfordert, statt sich ihnen anzupassen.
Ein Künstler braucht, wie jeder andere Mensch, Gefährten und Freunde, die er sich genauso sorgfältig aussuchen sollte und die genauso gut zu ihm passen sollten, wie seine von ihm gewählten Materialien.
In einer sich gegenseitig unterstützenden Gemeinschaft kann man sich sicher genug fühlen, Wege zu wählen, die alleine zu gehen, man sich vielleicht nicht gewagt hätte.
Eine Gemeinschaft mit ähnlichen Werten und Ansprüchen hilft, sich und die eigene Arbeit aus einer wertschätzenden Perspektive zu erleben. Innerhalb so einer, zugegebenermaßen, idealen Gemeinschaft, erfährt man genug Zuspruch und Anerkennung, um die ständig am Horizont winkenden Selbstzweifel, auf gebührendem Abstand zu halten.

Man muss aber auch sehr gut aufpassen, nicht in eine Gemeinschaft zu geraten, von der man sich bewusst oder unbewusst die Richtung seiner Arbeit vorschreiben lässt, nur weil es dort üblich ist, sich an den vorherrschenden Meinungen zu orientieren.

 

8 Gedanken zu „Die gut gemeinte Meinung anderer Künstler

  1. Chapeau! Wie wahr…
    „Wer viel fragt, bekommt viele Antworten“ war ein Spruch meines Vaters. Auf gut Deutsch: Mach dein Ding und vor allem in der Kunst.
    Das ist ja gerade das was Kunst ausmacht. Jede Zeichnung ist einzigartig und ob sie „schön“ oder „nicht schön“ ist darf doch jeder für sich selbst beurteilen. Wem’s partout nicht gefällt der darf auch woanders hingucken, wo’s „schöner“ ist.
    Kunst polarisiert eben, genauso wie Religion und Politik. Ist eben alles Ansichtssache.

    Liebe Grüsslen aus dem Süden sendet
    Ben

  2. Liebe Martina,
    Grundsätzlich gebe ich dir Recht, nur was unverfälscht aus einem selbst kommt, ist echt, authentisch, ein Stück Selbst. Aber wenn ich Male, und ich habe irgendwie das Gefühl, es stimmt noch nicht, weiß aber nicht woran es liegt, dann bin ich für geäußerte Empfindungen dankbar, manchmal bringen Sie einen auf dir richtige Spur, an welcher Stelle man ansetzen kann.
    Liebe Grüße aus dem Osten, nahe der Hauptstadt 😉

    • Hallo liebe Yvonne, Jein – ich weiß, glaube ich, was du meinst. Man kann sich auf eine Spur lenken lassen und es kann sein, dass diese tatsächlich – mehr oder weniger zufällig – dem eigenen Weg folgt. Langfristig jedoch empfehle ich, sich von diesen „Stützrädern“ von außen recht bald zu entwöhnen. Früher oder später muss man selbständig und unabhängig entscheiden, wie es weitergeht, wenn man das Gefühl hat, dass etwas nicht stimmt. Im Prinzip muss man sich an dieses Gefühl gewöhnen und auch daran gewöhnen, damit selbständig umzugehen. Das macht es ja gerade aus, dass man für sich entscheidet, was zu geschehen hat. Immer. Das heißt nicht, dass man mit diesen, seinen Entscheidungen im Nachhinein immer einverstanden ist. Das ist ein Dialog, den man mit sich selbst bzw. mit dem, was man gerade gestaltet, andauernd zu führen hat.
      Herzliche Grüße,
      Martina

  3. I did it my way ….. Liebe Martina, bleib wie Du bist! Wenn ich in meiner Arbeit weiter weiß, dann ist es leicht, meinem Weg zu folgen. Wenn ich aber nicht weiter weiß, und solche Zeiten gibt es immer wieder, dann wünsche ich mir Hilfestellung von außen. Ich glaube, es kommt auf die Art der Anregung an. Manchmal ist es ein hilfreicher Anstoß, oft fühle ich mich aber auch in eine fremde Richtung gedrängt und spüre, so geht es nicht weiter. Die Arbeiten anderer Künstler sind wichtig. Und es ist immer neu auszuloten, wieviel ich von dem Fremden aufnehmen oder verarbeiten kann, ohne meinen Weg zu verlassen. Dies als vorläufiger Kommentar zu deinem wichtigen Artikel.
    Alles Gute und liebe Grüße von Elisabeth

    • Ja, wir brauchen Anregungen (!), Anstöße auch von außen, eben alles, was uns dazu verhilft, den Kontakt zur Inspiration nicht zu verlieren bzw. wieder aufzunehmen. Aber bei Meinungen (!), im Sinne von, mach´das doch mal so und so“ oder „ich finde ja, das ist da unten links zu grün“, muss man sich die Ohren zuhalten. Und ja, Elisabeth, ich stimme dir zu, die Arbeiten (!!!!!) anderen Künstler sind wichtig. Ganz herzliche Grüße!

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