
Man muss nicht lange suchen, um jemanden zu finden, der einem sagt, wie es geht.
Ich glaube aber, jeder muss für sich selbst herausfinden, wie das Zeichnen geht.
Heute habe ich 24 meiner eigenen ganz persönlichen Erkenntnisse über das Zeichnen aufgeschrieben.
Vielleicht inspirieren sie dich, deine eigenen Einsichten zu entdecken und zu formulieren, damit dir das Zeichnen immer leicht von der Hand geht.
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01. Es ist wichtiger vom Zeichnen selbst zu lernen, anstatt das Zeichnen zu lernen.
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02. Der zeichnende Blick ist gleichgültig. Alles, was er sieht, ist ihm gleich viel gültig.
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03. Zeichnen macht das Schöne nicht schöner, aber das nicht Schöne schön.
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04. „Das sieht ja aus wie echt“ über eine Zeichnung gesagt, ist kein Kompliment, sondern macht deutlich, dass es nicht mehr darüber zu sagen gibt.
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05. Das Zeichenmotiv ist kein Feind, mit dem man irgendwie fertig werden muss.
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06. Wer zeichnen will, soll keine Zeugenaussage machen, sondern Zeugnis ablegen.
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07. Zeichnen ist immer sehen plus fühlen, nicht sehen plus wissen.
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08. Die Linie, die nur genau sein will, hat nichts anderes zu erzählen, als von ihrer Genauigkeit.
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09. Eine geglückte Zeichnung ist immer beeindruckender als eine gelungene Zeichnung. Eine geglückte Zeichnung ist das Ergebnis von geglücktem Sehen.
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10. Man kann sich keine Zeichnung ersparen, nicht die gelungenen, nicht die nicht gelungenen und auch nicht die dazwischen. Man braucht sie alle, damit die geglückten Zeichnungen entstehen können.
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11. Eine geglückte Zeichnung kann man nicht planen, aber man darf immer darauf hoffen.
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12. Zeichnen ist kein Kunstturnen, auch die alten Meister haben gepatzt.
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13. Die Zeit des Zeichnens und die Zeit des Betrachtens der eigenen Zeichnungen sind streng getrennt zu halten. In der Rolle des Betrachters kann man nicht zeichnen, sondern nur betrachten und in der Rolle des Zeichners kann man nicht betrachten, sondern nur zeichnen.
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14. Zeichnen lernt man nicht, indem man zeichnen lernt, sondern indem man lernt, ein Mensch zu sein, der zeichnet.
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15. Zeichnen können bedeutet, man zeichnet, auch wenn man glaubt, es nicht zu können.
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16. Man macht sich nicht selbst für das Zeichnen passend, sondern man macht das Zeichnen für sich selbst passend.
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17. Wenn wir Augen zeichnen, zeichnen wir nicht die Augen, sondern ihren Blick.
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18. Wenn du eine Blume am Feldrand zeichnest, zeichne den Wind und nicht die Blume.
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19. Zeichnen bedeutet Zeichen setzen, nicht Striche anordnen.
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20. Richtig gut zeichnen kann man nur, wenn man nicht mehr weiß, was man sieht und wenn man nicht mehr weiß, was man tut.
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21. Wenn ich mir im Kopf vorstelle, wie eine Zeichnung auszusehen hat, stelle ich etwas vor mich hin, das mir meinen eigentlichen Blick verstellt. (Danke E.H. für diese Erkenntnis)
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22. Ein Motiv zu zeichnen ist, wie einen Text in eine andere Sprache zu übertragen. Wenn es sich gut anhören soll, darf man es nicht wörtlich nehmen.
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23. Eine entspannte lockere Linie, die etwas wahrhaftig gesehen hat, ist immer die stimmige, die über-ein-stimmende Linie, auch wenn sie objektiv betrachtet, nicht stimmt.
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24. Ein einfacher Test, ob du falsch oder richtig zeichnest. Frag dich selbst: Vertreibt mir das Zeichnen meine Lust am Sehen oder macht mir das Zeichnen immer mehr Lust aufs Sehen?
Alles wieder sehr weise Beobachtungen, besonders berührt hat mich dieser Satz:
„18. Wenn du eine Blume am Feldrand zeichnest, zeichne den Wind und nicht die Blume.“
Da steckt so viel drin, das haut mich um 🙂
❤
ich mag Deine Auflistung, stimme Dir in vielem zu. Besonders gefällt mir die Wendung, Zeichnen sei kein Kunstturnen. Das notiere ich mir für „schlechte Zeiten“, wenn der Perfektionismus nagen will.
Mit dem Zeichnen habe ich ohne jede Vorkenntnisse, Lehrbücher oder Lehrende begonnen und offensichtlich instinktiv den „richtigen“ Weg gewählt, denn Deine letzte Frage kann ich eindeutig beantworten: das Zeichnen hat meine Lust am Sehen vervielfacht – die Lust am Sehen überhaupt erst geweckt 🙂
Aaaah, das ist mal wieder eine Zeichnung nach meinem Geschmack 🍀🍀🍀