Befreie dich von Falsch und richtig beim Zeichnen

Wünschst du dir stets fehlerlos zeichnen zu können?

Kein Problem. Ich schwinge meinen Zauberstab und – PING – dein Wunsch ist erfüllt.

Ok, ich gebe es zu, ich kann nicht zaubern. Und es sind nicht meine magischen Kräfte, die dir diesen Wunsch erfüllen, sondern deine ganz eigene Kraft.

Im Folgenden sage ich dir, wie.

Fehlerlos zeichnen zu können ist eine Frage des Vertrauens, in das Vertrauen des eigenen Ausdrucksvermögens. Ausdrucksvermögen ist ein grundlegendes Merkmal der menschlichen Natur. Wir alle besitzen es. Es ist uns, sozusagen, von Gott gegeben.

Egal, wo wir gehen und stehen, wo wir atmen, wo wir präsent sind, wir bringen unser Wesen zum Ausdruck, sei es durch Sprache oder Körperhaltung, durch Mimik oder Gestik, durch Singen, schreiben, lachen, weinen, malen oder zeichnen.

Außerdem müssen wir darauf vertrauen, dass jegliches Tun, mit der Absicht etwas entstehen zu lassen (hier: zeichnen), wertvoll ist. Unsere Absicht sollte nicht sein, etwas Gutes oder Besonderes zu schaffen, sondern einfach „Etwas“ entstehen zu lassen, ohne Wertung.

Wenn wir „Etwas“ entstehen lassen wollen, müssen wir Energie aufbringen, wie z.B. den Stift übers Papier zu bewegen.

Etwas entstehen zu lassen bedeutet etwas von der Nicht-Existenz in die Existenz zu bringen. Das ist die Definition von Schöpfung. Zeichnen ist demnach ein Akt der Schöpfung.

Jede Schöpfung ist weder gut noch böse, ist weder falsch noch richtig. Erst im kulturellen Kontext wird eine Bewertung vorgenommen.

In unserer Gesellschaft wird es oft als beinahe unmoralisch betrachtet, den Anspruch zu haben, wertzuschätzende Zeichnungen anfertigen zu wollen, obwohl man keine Lust hat, konventionellen Zeichenregeln zu folgen.

Wo Zeichenregeln nicht befolgt werden, wird falsch gezeichnet. Das jedenfalls behauptet die Zeichenpolizei und die hat ihre Spione überall. Es herrscht die Angst davor, falsch zu zeichnen, als wäre es moralisch verwerflich.

Richtig und falsch entsprechen gut und böse. Diese dualistische Denkweise hält uns gefangen in einem Käfig aus schwarzen und weißen Gitterstäben. Wohin wir uns auch wenden, es scheint stets nur das eine oder das andere zu existieren.

Doch was wäre, wenn wir uns von diesem moralischen Dualismus befreien und unsere Zeichnungen nicht mehr dieser normativen Sichtweise unterwerfen würden?

Wir könnten zeichnen so wie wir zeichnen. Einfach so.

Wir müssten unsere Energie nicht mehr darauf verschwenden, schwitzend und ängstlich unsere Striche und Linien zu kontrollieren, als sei Zeichnen ein Drahtseilakt, bei dem wir jeden Augenblick abstürzen könnten.

Dieses Konzept von falsch und richtig beim Zeichnen ist kein Naturgesetz, sondern bloß eine fragwürdige Erfindung unserer Kultur, die wir einfach ignorieren können. Es liegt in unserer Macht, dieses Konzept für wahr zu halten oder nicht. Es ist unsere Entscheidung.

Wir könnten, befreit von konventionellem Denken, Zeichnungen, also „Etwas“, entstehen lassen, ohne es im selben Moment in die eine oder andere Richtung zu bewerten.

Wenn wir das Entstehen einer Zeichnung als neutrales Ereignis betrachten, als einen neutralen Akt der Schöpfung, können wir mit Zuversicht zeichnen und wissen, dass wir etwas Sinnvolles tun.

Der Sinn des Zeichnens liegt nicht in unserer Zuschreibung, sondern ist im Zeichnen selbst inhärent.

Jede Zeichnung hat Anteil am Zeichnen selbst, genauso wie jedes gesprochene Wort, unabhängig, ob es verstanden wird oder nicht, Anteil an der Sprache insgesamt hat. Es gibt grundsätzlich keine falschen oder richtigen Wörter. Falsch und richtig werden erst im Kontext einer normativen Struktur definiert.

An dieser Stelle möchtest du vielleicht tief ein- und ausatmen und dir bewusst machen, wie wohltuend es wäre, etwas bewertungsfrei zu betrachten, auch die eigenen Zeichnungen.

Es ist so befreiend.

Der Drang, uns für unsere Zeichnungen rechtfertigen zu müssen, verschwindet.

Unsere Zeichnungen sind selbstverständlich.

Und fehlerlos. (PING)

4 Gedanken zu „Befreie dich von Falsch und richtig beim Zeichnen

  1. Danke für die wunderbaren Anregungen! Sie haben mir geholfen, mich von eigenen und fremden Bewertungen frei zu machen. Nicht nur in Bezug auf das Zeichnen, und siehe da, die Freude taucht wieder auf. Liebe Grüße aus Berlin
    Ruth Reichenbach

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